Vermehrt hört man den Begriff «Quantencomputer». Doch was ist ein Quantencomputer? Welche Chancen und Gefahren kommen mit ihrer Entwicklung und wie sieht es diesbezüglich in der Schweiz aus? Im Interview mit Prof. Dr. Renner von der ETH in Zürich klären wir diese Fragen.

Quantencomputer

Vom überwiegend theoretischen Konzept zur Wirklichkeit: Das Thema Quantencomputer wird immer präsenter. Computerhersteller und Technologiekonzerne – u. a. Google, IBM, Intel – ringen um den leistungsfähigsten Supercomputer. Seit Anfang des Jahres ist der erste Quantencomputer auf dem Markt verfügbar. Das Gerät verfügt über die Leistung von 20 Qubits und kostet zwischen 10 – 15 Millionen US-Dollar.

Ein genanntes Ziel für die Zukunft: ein Gerät mit einer Leistung von einer Million Qubits. Mindestens fünf Jahre soll es noch dauern, bis dieses Ziel erreicht ist. Unterdessen forschen Wissenschaftler auf der ganzen Welt zu diesen Themen und machen immer wieder beeindruckende Fortschritte.

Im Gespräch mit Renato Renner, Professor für Theoretische Physik an der ETH in Zürich, sprechen wir über Chancen und Gefahren von Quantencomputern, die Herausforderungen an die IT-Sicherheit in Bezug auf die aufkommende Power und die Rolle der Schweiz in diesem technologischen Wettlauf.

Interview mit Prof. Dr. Renato Renner

Prof. Dr. Renato RennerHerr Renner, wie oft müssen Sie heute noch erklären, was genau Quantencomputer sind?

Immer öfter. Vor 5 Jahren waren es lediglich ein paar Technik-Interessierte, welche von der Idee des Quanten-Computing überhaupt gehört hatten. Heute, nachdem grosse IT-Firmen in das Thema eingestiegen sind, werde ich von Anfragen geradezu überhäuft. Die meisten Leute haben nun vom Thema gehört, wissen aber nicht, was genau dahintersteckt.

Was ist ein Quantencomputer und warum ist er so viel leistungsfähiger als reguläre Computer?

Wie der Name sagt, nützt ein Quantencomputer die Gesetze der Quantenphysik aus, um Aufgaben schneller lösen zu können. Zum Beispiel kann gemäss der Quantenphysik ein einzelnes Teilchen in einem gewissen Sinn gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten sein. Entsprechend kann ein Qubit, also das quantenmechanische Analogon zu einem Bit, gleichzeitig auf den Wert 0 und den Wert 1 gesetzt werden. Zudem lassen sich auf diesen Quantenbits eine Vielzahl von Operationen ausführen, welche mit klassischen Bits undenkbar wären. Und aus diesen Operationen lassen sich dann wiederum neuartige Algorithmen zusammenbauen.

Welche Möglichkeiten bieten solche leistungsfähigen Quantencomputer? In welchen Bereichen liegen die grössten Chancen in Ihren Augen?

Ein Quantencomputer kann gewisse Probleme in weniger Schritten — und damit in weniger Zeit — lösen als mit einem herkömmlichen Computer nötig wären. Dies ist natürlich überall dort interessant, wo heutige Computer an ihre Grenzen stossen. Wo konkret die grössten Chancen liegen, lässt sich jedoch heute nur schwer abschätzen. Der Grund ist, dass wir, zumindest wenn man mit dem herkömmlichen Computing vergleicht, noch kaum Software für Quantencomputer haben. In der Tat gab es bis vor kurzem auch nur ganz wenige Quanten-Softwareentwickler. Wer wollte schon Programme für ein Gerät schreiben, das es noch gar nicht gab? Dies hat sich nun aber mit den neusten Entwicklungen auf der Hardware-Seite schlagartig geändert.

Mit den zahlreichen neuen Möglichkeiten und massiv mehr Rechenleistung durch Quantencomputer kommen aber auch Herausforderungen. Welche zum Beispiel?

Es gibt beispielsweise bereits Quanten-Software, die uns erlauben würde, fast alle heute gebräuchlichen Publik-Key-Verschlüsselungssysteme zu brechen. Das Einzige, was uns vor dieser Gefahr noch schützt, ist die Tatsache, dass diese Software eine viel grössere Zahl von Qubits benötigt, als die heute verfügbaren Quantencomputer bieten. Es ist aber nur noch eine Frage der Zeit, bis wir grössere Geräte haben. Wir werden unsere Kryptografie-Systeme also früher oder später durch quantensichere Systeme ersetzen müssen.

Ein wichtiges Thema in Bezug auf Quantencomputer ist die IT-Sicherheit, die durch ihre Rechenleistung vor grosse Herausforderungen gestellt wird. Wie kann man sich am besten vor einer solchen Gefahr schützen?

Momentan wird intensiv an der Entwicklung von quantensicheren Verschlüsselungssystemen geforscht. Wichtig wäre nun, die Standardisierung solcher Systeme voranzutreiben, so dass sie bald in der Praxis eingesetzt werden können.

Sie forschen bereits seit 2003 mit Quanten im Bereich der Quantenkryptografie. Wie sieht die Forschung hierzu in der Schweiz aus?

Die Schweiz hat in diesem Forschungsbereich seit langem eine führende Rolle inne. Bereits in den 90er Jahren wurden in Genf Experimente zur Quantenkryptografie durchgeführt. Zudem wurden an der ETH Zurich die theoretischen Methoden entwickelt, welche es ermöglichen, die Sicherheit der Quantenkryptografie zu beweisen.

Ohne schon zu viel vorwegzunehmen: Können Sie uns schon einen kleinen Vorgeschmack auf Ihren Vortrag am TEFO’19 geben? Was erwartet die Teilnehmer?

Im Vortrag werde ich erklären, wie Quanten-Computing einen Bogen spannt zwischen der Grundlagenforschung in der Physik, und damit sozusagen den Grundbausteinen des Universums, und konkreten Anwendungen in der Informatik. Dass es eine solche direkte Verbindung gibt, finde ich faszinierend.

Quantencomputer am TEFO’19

Prof. Dr. Renato Renner forscht seit über einem Jahrzehnt im Feld der Quantenkryptografie an der ETH in Zürich. Er hat zahlreiche Publikationen rund um das Thema verfasst. Am TEFO spricht er über das Thema «Zukünftige Bedrohung durch Quantencomputer».

Nebst diesem Referat stehen auch noch viele weitere spannende und aktuelle Themen auf dem Programm des diesjährigen TEFOs.

Autor

Flavio Pfister Projektleiter TEFO Studerus AG

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