Die Leistungen des 5G-Mobilnetzes sind beeindruckend. Dennoch verläuft der Aufbau eines flächendeckenden Netzes schleppend. Claudio Beltrametti von der Sunrise gibt uns einige Einblicke in die 5G-Landschaft der Schweiz.
Heutzutage stehen uns enorme Mengen an Informationen durch mobiles Internet jederzeit und überall zur Verfügung. Diese Mengen an Informationen sind aber nicht auf Diät – ihr Gewicht, die Datenmenge, nimmt dabei laufend zu. Für uns ist es nichts Aussergewöhnliches mehr, auf dem Heimweg eine Serie oder ein Video in 4K-Auflösung streamen zu können. Dazu kommt, dass wir immer mehr Verbindungen benötigen. Neben der Datenmenge steigt auch die Anzahl der Geräte, die mobiles Internet «konsumieren». Es ist keine Seltenheit mehr, dass wir Smartphones, Tablets, Smart-Watches nutzen – manchmal auch gleichzeitig. So steigen natürlich auch stetig die Anforderungen an ein Mobilnetz.
5G heisst die Lösung, die sich dieser Aufgabe annehmen soll. Seit diesem Frühling ist das erste kommerzielle 5G-Netz in der Schweiz verfügbar – das erste in Europa und auch eines der ersten weltweit. 5G ist eine Weiterentwicklung des aktuellen Netzwerkstandards, die durch bessere Leistung überzeugen soll.
Höchste Zeit also mit einen Experten Licht ins Dunkle bringen zu lassen. Wir sprechen mit Claudio Beltrametti, Head of B2B Product & Alliances Mobile bei Sunrise, über die Chancen und Grenzen von 5G.
Interview mit Claudio Beltrametti
Herr Beltrametti, wie ausgereizt ist das 4G-Netz? Wie hat sich der «Konsum von mobilen Netzen» in den letzten Jahren entwickelt? Und wie sieht es in Zukunft aus?
Der gesamte Datenverkehr verdoppelt sich in unserem Netz alle 12 bis 18 Monate. Wir müssen folglich das Netz ausbauen, damit es auf der mobilen Datenautobahn keinen Stau gibt. 5G ist hier viel effizienter als 4G. Dank 5G könnten wir (wenn die Grenzwerte angepasst werden) den Kunden mit den bestehenden Antennen trotz der Verdoppelung des Datenverkehrs während Jahren ausreichend Kapazitäten bieten.
Welche Herausforderungen bei dem Aufbau/Betrieb eines 5G-Netzes sind gerade in der Schweiz zu bewältigen? Sind die geografischen und topografischen Gegebenheiten hier eine Herausforderung?
Sunrise will das 5G-Netz so rasch wie möglich in allen Regionen vorantreiben. Dies sehen wir als unsere Verpflichtung gegenüber unseren Kunden. Das effizienteste wäre es, wenn der Ausbau mit den bestehenden Mobilfunkstandorten gemacht werden könnte. Das ist aber leider aufgrund der im Vergleich zum Ausland 10-fach strengeren Strahlungsgrenzwerte nicht möglich. 90 % der Anlagen in städtischen Gebieten und über 65 % der Anlagen schweizweit können aufgrund der strengen Strahlungsgrenzwerte nicht weiter ausgebaut werden. Wenn sich an den Grenzwerten nichts ändert, müssten ca. 15’000 neue Mobilfunkstandorte gebaut werden. Das ist in nützlicher Zeit nicht realistisch.
Wir konzentrieren uns daher in einer ersten Phase auf bestehende Standorte, bei denen es noch Kapazitätsreserven gibt. Dies in Kantonen und Gemeinden, die den technologischen Vorschritt vorantreiben und nicht verhindern wollen. Wir stehen dabei in engem Kontakt mit allen Bewilligungsbehörden und pflegen einen konstruktiven Austausch.
Die topografischen Gegebenheiten stehen der flächendeckenden Einführung von 5G per se nicht entgegen, denn grundsätzlich ist die 5G-Technologe so konzipiert, dass sie trotz leicht höherer Frequenzen auf den bestehenden 4G-Standorten eingeführt werden könnte. Das ist in den meisten europäischen Ländern problemlos möglich. In der Schweiz ist dies aufgrund der strengeren Strahlungsgrenzwerte leider jedoch nicht flächendeckend möglich.
Gerade erst wurde in den Medien berichtet, dass ein grosser Teil der Baugesuche für neue Antennen aktuell durch Gegner mit Einsprachen blockiert werden. Wie sehen Sie die Stimmung der Bevölkerung gegenüber dem 5G-Netz in der Schweiz?
Der Widerstand gegen Ausbauvorhaben bewegt sich seit Jahren im Durchschnitt auf gleichbleibendem Niveau: rund jedes dritte Ausbauvorhaben steht unter Opposition. Dabei sind es vor allem spezifische Organisationen und Gruppen, die den Widerstand anheizen.
Gegenüber der Einführung von 3G/4G wird das Thema heute auch sehr stark durch Fake News dominiert. Uns ist sehr daran gelegen, den durch Fake-News in den sozialen Medien geschürten Ängsten transparent mit Fakten zu begegnen. Wir informieren laufend über die verschiedenen Kanäle wie Medien, Kundendienst, lokale Veranstaltungen usw. über die Fakten zu 5G und sind mit den kommunalen, kantonalen und Bundesbehörden in Kontakt.
Entsprechende Informationen finden sich auch auf den Webseiten der Behörden sowie auf unseren Webseite unter:
- https://www.bakom.admin.ch/bakom/de/home/telekommunikation/technologie/5g.html
- https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/elektrosmog/dossiers/5g-netze.html
- https://www.sunrise.ch/de/spotlight/uebersicht.5g.html
- https://www.sunrise.ch/de/spotlight/2019/03/gesundheits-und-umweltschutz-sind-gewaehrleistet.html
Der Gesetzgeber in der Schweiz setzt die Grenzwerte für die entsprechenden Strahlenwerte tiefer an als in anderen Ländern. Wie beeinflusst dies den Aufbau/Betrieb des 5G-Netzes?
Konkret sind die Schweizer Grenzwerte 10-fach strenger, als die Grenzwerte in den meisten anderen Ländern. Wir sind verpflichtet, Sie an allen Orten, an denen sich Menschen regelmässig und längere Zeit aufhalten können, einzuhalten (z. B. in Wohnungen, Schulen, Spitälern, Büros usw.). Trotz der strengen Grenzwerte wird immer wieder behauptet, die Strahlung von Mobilfunkantennen sei gesundheitsschädigend oder gar krebserregend.
Korrekt und Tatsache ist, dass elektromagnetische Felder zu den besterforschten Themen gehört, und trotz jahrzehntelanger Forschung wurden bislang keine Gesundheitsrisiken nachgewiesen, wenn die Grenzwerte eingehalten sind – was immer der Fall ist.
Für den Ausbau bedeutet dies, dass schweizweit über 15‘000 neue Mobilfunkstandorte notwendig sein werden, wenn die im Vergleich zum Ausland 10-fach strengeren Grenzwerte nicht angepasst werden. Aufgrund der Knappheit an möglichen Antennenstandorten wird sich ein flächendeckender 5G-Rollout entsprechend verzögern, was für die Schweiz viele Nachteile bringt. In Studien wird mit einem Verlust des Produktionszuwachses von ca. CHF 10 Mia. Franken und die Gefährdung von 137‘000 neu zu schaffenden Arbeitsplätzen gerechnet.
Nutzer der mobilen Netze sind natürlich wir – Menschen, die beispielsweise auf dem Nachhauseweg auf unseren Smartphones Videos anschauen. Welche anderen Einsatzmöglichkeiten, neben dem privaten Gebrauch, profitieren von 5G oder werden dadurch erst ermöglicht?
Richtig, das Potenzial von 5G ist auch im Privatkundenbereich immens. Fast 1 Mio. Haushalte haben noch kein wirklich schnelles Internet. Rund ein Viertel der Schweizer Bevölkerung lebt in ländlichen bzw. in Berggebieten. Es gibt einen digitalen Graben, den wir als Telekomanbieter schliessen wollen. Mit 5G lässt sich dies in ländlichen und Berggebieten effizienter erreichen, als mit Glasfaser.
Aber auch im Geschäftskundenbereich entwickelt und fördert Sunrise bereits heute zahlreiche 5G-Anwendungen. Mit dem „Internet der Dinge“ kann 5G z. B. Abfall, unnötige Transportwege oder Wasserverbrauch reduzieren und eine bessere Luftqualität und effizientere Energieversorgung sicherstellen. Auch die intelligente Landwirtschaft (smart farming), bei der bspw. unnötiger Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden reduziert werden kann oder die Ausbreitung von Pflanzen- und Tierkrankheiten eingedämmt wird, sind spannende Beispiele für die Schweiz.
Kann das 5G-Netz unter gewissen Umständen ein Glasfaseranschluss konkurrenzieren? Gibt es Einsatzmöglichkeiten, bei welchen 5G dem Glasfasernetz zu bevorzugen ist?
5G setzen wir in einer ersten Phase primär dort ein, wo es nur „langsamen“ Netzzugang gibt (ADSL oder bei schlechtem VDSL). Das ist in ca. 22 % der Schweizer Haushalte der Fall. In den anderen Gebieten kommen Glasfaser oder auch Kabelnetz zum Einsatz. Fast eine Million Haushalte in der Schweiz sind noch nicht an das Glasfasernetz angeschlossen. Hier ist 5G als eine Art «Fibre over the air»-Breitbandzugang für viele Menschen durchaus interessant.
In Städten wie Genf, Zürich, Basel, Bern und Luzern, wo es ein gut funktionierendes Glasfasernetz gibt, hat 5G sicher noch nicht die gleiche Bedeutung. Hier gilt es aber, 5G insbesondere auch für mobile Anwendungen bereitzustellen.
5G wird Glasfaser deshalb nicht konkurrenzieren oder ersetzen. Die beiden Infrastrukturen ergänzen sich. Glasfaser bietet noch sehr lange hohe Kapazitäten und Geschwindigkeiten. Bis heute haben aber nur knapp 30 % der Schweizer Haushalte einen FTTH-Glasfaseranschluss bzw. ca 65 % einen leistungsfähigen Kabelanschluss. 5G ist daher eine echte Chance für alle, die keinen solchen Zugang haben, seien es Privatpersonen oder Unternehmen.
Claudio Beltrametti blickt auf eine 15-jährige Laufbahn in der Telekommunikation zurück und verfügt über fundierte Erfahrung in Projektleitungen im In- und Ausland. Er entwickelt mit seinem Team seit mehreren Jahren Mobile Services für Geschäftskunden der Sunrise. Am 21. November wird Claudio Beltrametti am TEFO’19 in seinem Referat von den ersten Erfahrungen berichten, die Sunrise mit dem 5G-Netz in der Schweiz gemacht hat.
5G am TEFO’19
Am 21. November haben Sie die Chance, am TEFO von Herrn Beltrametti weitere interessante Einblicke zum Thema 5G zu erhalten.
Nebst diesem Referat stehen auch noch viele weitere spannende und aktuelle Themen auf dem Programm des diesjährigen TEFO.